Im Zusammenhang mit dem Tag der offenen Tür der Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr wurde gemeinsam mit der TU Darmstadt und der FH Gießen-Frieberg (heute: TH Mittelhessen) vom 05. bis 07.05.2006 eine Exkursion zum Weichenwerk in Gotha, der Thüringer Waldbahn und Gothaer Straßenbahn sowie der Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn durchgeführt.
Die Teilnehmer trafen sich im Bahnhof von Gotha. Danach ging es gemeinsam zum Weichenwerk, das auf der Südseite des Bahnhofs gelegen ist.
Nach einer Einführungspräsentation über die Firmengeschichte, das Produktportfolio und weitere Interessante Fakten zum Werk sowie einer kleinen Stärkung in der Werkskantine wurde mit der Werksbesichtigung begonnen.
Das Weichenwerk in Gotha gehört zum Voest Alpine Konzern und produziert aktuell fast ausschließlich Weichen und Oberbausonderformen (z. B. Schienenauszüge) für Straßenbahnbetriebe.
Auch wenn Weichen oberflächlich betrachtet untereinander recht ähnlich sind so ist fast jede Weiche, gerade im Straßenbahnbereich, ein Unikat da viele örtlichen Besonderheiten in diese einfließen.
In den großen Hallen des Werkes werden die einzelnen Bauteile der Weichen bearbeitet und teilweise zusammengesetzt.
Um die Gleise in die gewünschte Form zu bringen braucht es viel Fläche und entsprechend kräftiges Werkzeug bzw. Maschinen.
Unbearbeitete Schienenstücke.
Hier sieht man die Rohform eines Herzstück.
In mehreren Bearbeitungsschritten wird dieses weiter ausgefräst und anschließend mit flankierenden Stücken verschweißt. Das Verschweißen der einzelnen Teile ist trotz des sehr grob anmutenden Grundmaterials eine hochpräzise Tätigkeit die hohe Konzentration und insbesondere Fachwissen sowie Erfahrung vom Schweißer verlangt.
In ähnlich aufwändigen Arbeitsschritten werden auch die weiteren Weichenteile wie Zungen oder Backenscheinen bearbeitet.
In einer weiteren Halle werden dann die einzelnen Elemente zu einer Weiche komplettiert.
Bei komplexen Gleiskonstrukten, wie sie z. B. an Streckenkreuzungen mit Querverbindungen vorkommen werden diese im Anschluss daran im Außenbereich des Weichenwerk komplett aufgelegt um sicher zu stellen dass das ganze System auch am Einbauort zusammen passt und somit montierbar ist.
Auch Sonderkonstruktionen wie Schienenauszüge waren zu sehen und wurden intensiv begutachtet.
Nach dem Besuch des Weichenweks ging es mit der Straßenbahn zum Betriebshof der Thüringer Waldbahn und Gothaer Straßenbahn (TWSB).
Die TBSW verfügt über einen recht umfangreichen und vielfältigen Fuhrpark der sich mehrheitlich aus von anderen Straßenbahnbetriebe übernommenen Gebrauchtfahrzeugen rekrutiert.
Aktuell wird der Betrieb im wesentlichen mit Tatra KT4 D abgewickelt die u. a. aus Erfurt übernommen wurden. Aber auch Altfahrzeuge aus Gothaer Produktion oder DÜWAG GT 6 ER sind noch in Betrieb zu finden.
In der Halle und im Außenbereich konnten die Exkurionsteilnehmer den sehr inhomogenen Fuhrpark erkunden.
Neben der Abstellhalle verfügt der Betriebshof noch über eine moderne Wartungshalle.
Den Abschluss bildete der Besuch in der Leitstelle der TWSB.
Ein Überblick auf das Netz der TWSB.
Anschließend ging es, verbunden mit einer Stadtführung, zum Hotel zurück. Der Rest des Tages war zur freien Verfügung und das Abendessen wurde zum Fachsimpeln genutzt.
Am Tag der offenen Tür der FS Gotha war auch das dortige Betriebsfeld geöffnet und die Exkursonsteilnehmer unterstützten das örtliche Team bei der Besetzung der Stellwerke um den Besuchern den Bahnbetrieb an echten Stellwerken vorführen zu können. Für die noch nicht „Betriebsfeld Gotha“ kundigen gab es zuvor eine Einführung in die Geschichte und Funktion des Betriebsfeld.
Auch „Bernd das Brot“ unterstützte, wobei er es eher vorzog sich in eine Abdeckung eines Relais aus einem EZMG-Stellwerk zurückzuziehen.
Über Neudietendorf und Rottenbach ging es zur an der Schwarzatalbahn (Rottendorf – Katzhütte) gelegenen Talstation der Standseilbahn Obstfelderschmiede – Lichtenhain (an der Bergbahn).
Eine Besonderheit dieser Standseilbahn ist dass nicht zwei gleiche Wagen verwendet werden. Während der erste Wagen ein relativ konventioneller (Standseilbahn-)Wagen für den Personentransport ist, ist der zweite Wagen eine Transportplatform auf der entweder ein Personenwagen oder alternativ auch ein kurzer zweiachsiger Güterwagen transportiert werden kann. Im Regelbetrieb findet seit 1966 kein Gütertransport mehr statt. Als Personenwagen nutzt man entweder einen der Beiwagen der oberen „Flachstrecke“ oder insbesondere im Sommer einen offenen Aussichtswagen.
Die Wagen werden, wie hier an der Talstation zu sehen, über eine Drehscheibe auf den Transportwagen gebracht.
Am Besuchstag wurde der Güterwagentransport vorgeführt. Wie bei Standeilbahnen mit zwei Fahrzeugen üblich findet die Kreuzung in der Hälfte der Strecke statt und der Transportwagen mit einem historischen Güterwagen begegnet dabei dem bergwärts fahrenden Personenwagen.
In der Bergstation Lichtenhain konnte sodann unter fachkundiger Führung eines Mitarbeiters der OBS der Maschinenraum der Standseilbahn besichtigt werden.
Im blitzsauberen Maschinentrakt waren auch diverse Exponate ausgestellt. So u. a. ein im Zuge der Revision ausgewechseltes Führungsrad wie es im Gleis zur Seilführung angeordnet ist und deutliche Spuren des Seils aufweist.
Im Anschluss konnte beobachtet werden wie der zwischenzeitlich wieder Bergwärts gefahrene Güterwagen entladen und mittels der Drehscheibe abgeholt wurde.
Der Anschlusstriebwagen der uns auf der „Flachstrecke“ von Lichtehain nach Cursdorf bringen wird steht bereit. Als weitere Besonderheit ist diese Strecke elektrifiziert und wird mit von alten Berliner S-Bahn Wagen abgeleiteten Triebwagen befahren.
Die Infrastruktur der Endstation am Rande von Cursdorf ist recht übersichtlich.
Die meisten Teilnehmer entschlossen sich für die in der Ankündigung „Für Preisbewusste und Hartnäckige“ genannte Reiseroute. Von hier ging es daher per Bus weiter nach Neuhaus am Rennweg und von Neuhaus via Sonneberg nach Bamberg. Als weiteres „Highlight“ der Heimreise wurde von Bamberg bis Aschaffenburg der „Radel-Express“ genutzt der zwischen Schweinfurt / Waigolshausen und Gemünden (Main) die Werntalbahn nutzt und nicht über Würzburg fährt. Das Radel-Express Zugpaar ist die einzige Personenzugleistung auf der in der Regel im Güterverkehr als Umgehung des Knotens Würzburg dienenden Werntalbahn.
Text [21.01.2012, 24.03.2019] und Bilder: RG